Mittwoch, 30. März 2011

Mit „Dreck“ einen starken Akzent gesetzt

Am 26.03.2011 war die Premiere unserer aktuellen Produktion.  „Dreck“ von Robert Schneider in der Inszenierung von Friedo Stucke. Hier ist eine Abschrift der Kritik vom 29.03.2011 in der Nordsee Zeitung von Ulrich Müller.

BREMERHAVEN.  Risikoreiches Theater abseits des Mainstreams: Im Lehe-Treff löste die Premiere von Robert Schneiders Monolog „Dreck“ diese Vorgaben mit großer Intensität ein.  Der Verein „Theater Spielorte“ und Regisseur Friedo Stucke setzten mit ihrer ersten Produktion einen starken Akzent.
„Ich heiße Sad. Ich bin 30 Jahre alt. In der englischen Sprache heißt Sad traurig. Aber ich bin nicht traurig“, begann der in Hamburg lebende Schauspieler Arash Beigi-Khusani das Ein-Personen-Stück. Als illegaler Rosenverkäufer sitzt er mit seinen Blumen und wenig Habseligkeiten im Zimmer und bereitet sich auf die abendliche Tour vor: „58 Lokale mit 40-jährigen Männern und jede Nacht zwölf Kilometer.“
Ein gebildeter Mensch
Kein richtiges Leben im falschen, Sad muss erzählen, damit die Nacht vergeht. Und er biegt dabei Wittgensteins berühmten Satz für sich zurecht: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man reden.“
Der Rosenverkäufer redet als gebildeter Mensch, richtet seinen Monolog an die Scheinwerfer, den Stuhl und die Lampe, spricht über seine Jugend, die Lehrer und die Universität, sein Wunschbild von Deutschland: „Tiefgrüne Seen, schneeblaue Berge, Kultur und Dichter.“
Die Realität sieht allerdings anders aus: „Eine Eisenstange, ein Messer, ein Schimpfwort“, wird ebenso zum Mantra wie die glückliche Erinnerung an einen Abend auf dem Dach des Onkels im Irak. Aber es gibt kein Schwarz-Weiß, im Gegenteil. Sad liebt Deutschland und übernimmt die Beschimpfungen und Anfeindungen der Rassisten und Nationalisten, für deren Parolen er vollstes Verständnis zeigt.
Ringen um die Existenz
„Ich habe es nicht verdient, ich bin ein Stück Dreck“, wiederholt der Illegale und richtet damit den Hass der anderen gegen sich selbst – Arash Beigi-Khusani und Regisseur Friedo Stucke vermittelten das verstörende Ringen um die Existenz beklemmend hautnah. Der Theaterraum, der keiner ist, verstärkt die Wirkung noch, denn ohne die schützende Distanz einer Bühne wurden die Zuschauer zu unmittelbar betroffenen Voyeuren.
Angst und Wehmut, Verzweiflung bis zur Selbstaufgabe – dann eine letzt Volte: „Doch. Ich lebe gut. Ich habe ja meine Rosen.“
Am Ende atmete man tief durch, das Stück ist ein Theatererlebnis. Wer sich darauf einlässt, tut es auf eigene Gefahr. (ulm)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen